Die Qualitätssicherung für Psychotherapie soll
2013 neu geregelt werden.
Die Mehrheit der Psychotherapeuten wünscht eine
Abschaffung des
unwissenschaftlichen Gutachterverfahrens
Fact-Sheet
zum sogenannten „Gutachterverfahren“ (GAV) in der
Richtlinienpsychotherapie
zusammengestellt von Dr. Christine
Laufersweiler-Plass, 2012
1.
Bisher
können erfahrene Psychotherapeuten nur für
die Beantragung von Kurzzeitpsychotherapien (bis 25
Behandlungsstunden) eine Befreiung vom Gutachterverfahren (GAV)
erlangen. Für
Langzeitpsychotherapien
(länger als 25 Stunden) sind alle Psychotherapeuten trotz
Hochschulstudium und
Approbation gezwungen, umfängliche gutachterliche „Berichte
an den Gutachter“
zu schreiben. Von der Bewilligung durch einen "Gutachter" hängt
dann ab, ob ein Patient eine Therapieverlängerung
erhält oder nicht. Die
Bestimmungen für das GAV finden sich in den
Psychotherapie-Richtlinien sowie in der
Psychotherapie-Vereinbarung (www.g-ba.de/informationen/richtlinien/20/)
(www.kvwl.de/arzt/recht/kbv/ekv/ekv01.pdf).
2.
Offiziell
soll mithilfe des Gutachterverfahrens (GAV) geprüft werden, ob ein
Therapeut für einen Patienten tatsächlich ein
anerkanntes Psychotherapie-Verfahren beantragt, ob es indiziert ist
und ob
die Prognose einen ausreichenden Behandlungserfolg erwarten
läßt.
Manchmal wird auch argumentiert, das Gutachterverfahren diene der
Supervision oder der Qualitätssicherung.
Jedoch verknüpft
das Gutachterverfahren auf wissenschaftlich unzulässige Weise die
Überprüfung der Qualität des Berichtes des
Psychotherapeuten mit der Leistungsbewilligung für den Patienten.
3.
Fast
alle
niedergelassenen Psychotherapeuten möchten das GAV ersatzlos
abschaffen, da
sie davon überzeugt sind, dass die aktuellen Regelungen zu Aus-
und
Weiterbildung plus Verpflichtung zu interner Dokumentation die
Qualität der
Therapien bereits bestens absichern (*s.u.
Literaturhinweise 4 u. 5). Jedoch vertritt die
Kassenärztliche Bundesvereinigung (KV) im Gremium des Gemeinsamen
Bundesausschuss (g-ba)
häufig eher
die Interessen der ärztlichen Mehrheit als die der Psychologischen
Psychotherapeuten.
4.
Die
sogenannten „Berichte an den Gutachter“ beinhalten die
persönlichsten Daten von
Patienten und deren Angehörigen. Inhaltlich ist alles zu
berichten, was die
seelische Problematik des Patienten und die Notwendigkeit der Therapie
belegen
kann.
( siehe: Fragenkatalog: „Informationsblatt für zum
Erstellen des
Berichtes VT 3a/b/c, bzw. TP/PA). http://ccs-jade.com/2.%20GAV-Fragenkatalog-%20Verhaltenstherapie.pdf
5. Die
Anonymisierung für diese sogenannten „Berichte“ ist hinsichtlich
eines
erforderlichen Datenschutzes für die Patienten nicht hinreichend,
denn Sie
erfolgt über den Anfangsbuchstaben des Nachnamens und das
Geburtsdatum
(Beispiel K03.12.78). Aus der Anschrift des Therapeuten kann der
Gutachter auch
den Wohnort des Patienten ableiten.
6.
Der
sogenannte „Bericht an den Gutachter" ist eigentlich ein
Gutachten. Das
Amtsgericht
Ansbach urteilte am 05.11.2007 ( Az. 3 C 846/06), es
handele sich
eigentlich um
ein mehrseitiges Gutachten. Die Honorierung von 53,38 € entspräche
keinesfalls
der mehrstündigen Arbeitsleistung, die Psychotherapeuten für
dieses Gutachten
erbringen.
7.
Die
sogenannten „Gutachter“ werden aufgrund bisheriger Berufs- und
Lehrtätigkeit gemeinsam
von KBV und Krankenkassen ernannt. Weiteren inhaltlichen
Qualitätskontrollen
unterliegen die sogenannten „Gutachter“ im Verlauf ihrer Tätigkeit
nicht.
8.
Die
„Gutachter“ sehen den Patienten niemals selbst. Sie bewilligen die
Psychotherapie (oder auch nicht) aufgrund der schriftlichen Darstellung
des
behandelnden Psychotherapeuten.
Mit Qualitätssicherung oder Supervision hat dies nichts
zu tun, denn Ablehnungen oder Stundenkürzungen bedeuten
immer, daß dem Patienten eine Therapie verweigert wird, die
Patient und Psychotherapeut für notwendig erachten.
9. Die
"Gutachter" überlassen es häufig geringer
qualifizierten
Mitarbeitern oder Ausbildungskandidaten, die
gutachterlichen Berichte der approbierten Psychotherapeuten zu
prüfen. Die Antworten erfolgen auf Formblättern und mit
Textbausteinen und enthalten für die Psychotherapeuten selten
etwas Nützliches.
10.
Ohne
direkten Kontakt zum Patienten ist es wissenschaftlich gesehen für
externe
„Gutachter“ unmöglich, aufgrund von Fragebogenergebnissen oder
ausführlichen
„Berichten“, über die Notwendigkeit und Erfolgswahrscheinlichkeit
einer
Psychotherapie zu urteilen. Damit steht das
"Gutachterverfahren" und die Beteiligung der "Gutachter" daran im
Widerspruch zur Berufsordnung: "Psychotherapeuten sind
verpflichtet, die professionelle Qualität ihres Handelns unter
Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu sichern und
weiterzuentwickeln".
11.
Psychotherapeuten
erleben regelmäßig willkürliche Entscheidungen durch
die "Gutachter"
(Stundenkürzungen, zeitaufwendige unsinnige Nachfragen,
Belästigung am Telefon). Im
Obergutachterverfahren werden dann bei neu zusammengetragener, noch
differenzierterer Darstellung der Sachlage die Anträge meist
anerkannt. Auch
das kostet Psychotherapeuten weitere Arbeitszeit.
12.
Das
Gutachterverfahren (GAV) ist 45 Jahre alt, wissenschaftlich
nicht haltbar und seit der Regelung zur Approbation und Ausbildung
von
Psychotherapeuten durch das PsychThGesetz obsolet. Es hat nur ein Ziel:
Es soll
den Psychotherapeuten erschweren, Therapien durchzuführen, die
länger als 25 Stunden dauern.
13.
Das GAV ist
ein Instrument der Kostenbegrenzung und nicht der
Qualitätssicherung. Die
aktuelle TK-Studie belegt, dass sich Psychotherapeuten an die
bestehenden
Standards und Leitlinien halten - auch ohne Gutachten. (siehe
TK-Studie:
Qualitätsmonitoring in der ambulanten Psychotherapie.
Abschlussbericht 2011. www.tk.de).
14.
Der
Psychotherapeut erhält für die Beantragung einer
Langzeittherapie 53,38 € (Abrechnungziffer
35131). Je „Bericht“
werden von den Psychotherapeuten ca. 3-4 Stunden Arbeitszeit
eingesetzt,
schwierige Fragestellungen können auch 5 Stunden in Anspruch
nehmen.
15.
Der sogenannte
„Gutachter“ erhält das Honorar von
38,80€. Hinzu kommen die Verwaltungskosten
für die Krankenkassen. Das
Gutachtersystem kostet die Krankenkassen daher jährlich für
ca.
300.000 Gutachten ca.
27 Millionen Euro.
(zitiert aus „Psychotherapie
Aktuell 3/2012, S.
16). Mit diesem Geld könnte man mehr als 10.000 zusätzliche
Kurzzeittherapien
je
25 Std. finanzieren.
16. Lehrinstitute
und die aus diesen hervorgehenden "Gutachter" möchten das
Gutachterverfahren aus eigenen
finanziellen Interessen
beibehalten. Da die 170 sogenannten
„Gutachter“ bzw. ihre Mitarbeiter je Stellungnahme zum Antrag auf
Langzeittherapie 38,80 €
verdienen,
können sie jährlich mit dieser Tätigkeit ca. 65.000 € erwirtschaften. Daher kämpfen sie um den
Erhalt des Systems.
17.
Bei Wegfall
des Gutachterverfahrens würde jeder der derzeit zugelassenen ca.
21 600
Psychotherapeuten, mehr als eine Arbeitswoche je Jahr hinzugewinnen, in
der er
Patienten behandeln könnte. Zeitlich gesehen könnten fast
eine Million mehr an Einzel-Psychotherapiestunden angeboten werden.
18.
Der Einfluss
der Psychologischen Psychotherapeuten ist in KBV, KVen und g-ba durch das
10%
Stimmenlimit (SGB V § 80, Abs.1) und den auf 50% begrenzten Anteil
der
Psychotherapeuten in den beratenden Fachausschüssen für
Psychotherapie
(79b des SGB V)
sehr eingeschränkt.
Psychotherapeuten
fordern lediglich dieselben Rechte wie Ärzte ein, wenn
Sie aufgrund der Diagnosen einen Therapieplan selbst erstellen und
diesen
selbst vertreten wollen. Psychotherapeuten wollen, dass die Daten (auch
Fragebogendaten) der Patienten in der Praxis des Psychotherapeuten
verbleiben. Externe Begutachtungen zur Prüfung der
Wirtschaftlichkeit sollten nur dann in Frage kommen, wenn der Patient
mehr
als 80
Behandlungsstunden benötigt, was abgesehen von der Psychoanalyse
sehr selten vorkommt. Psychotherapien werden im Durchschnitt bei
etwa 40 Behandlungsstunden abgeschlossen (siehe TK-Modellprojekt
2011).
Es ist an der Zeit, daß der Gemeinsame
Bundesausschuss
(g-ba) endlich
die
Kompetenz der
niedergelassenen approbierten Psychologischen Psychotherapeuten und
Kinderpsychotherapeuten anerkennt und das
Gutachterverfahren abschafft.
* Literatur :
- Deutsche
PsychotherapeutenVereinigung, Heft “Psychotherapie Aktuell“ 3,2012.
- Argeo
Bämayr; Gutachterverfahren vor Psychotherapien; Deutsches
Ärzteblatt PP Heft 8, August 2002.
- Hessel et
al, Zur Einkommenssituation niedergelassener Psychologischer
Psychotherapeuten, Z. Med. Psychol. 18,
180 - 188, 2009.
- Laufersweiler-Plaß,
C., 2012. Umfrage zum Gutachterverfahren. dr-laufersweiler.de/Umfrage-zum-GAV.html
- KBV-Infas-Umfrage zur Zukunft des
Sicherstellungsauftrages 2013, Freitextantworten, Seite 9, Datenlink ,
- Köhlke,
Hans-Ulrich; hat das Psychotherapie-Gutachter-Verfahren (noch) eine
Legitimation? Psychotherapeuten FORUM 5/99; Seite 24.