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Aktuelle Umfrage, November
2012
85% der Psychotherapeuten wünschen die ersatzlose Streichung des
sogenannten "Gutachterverfahrens"
von Dr. Christine Laufersweiler-Plass, Psychotherapeutin,
Wiesbaden
Danksagung
ich möchte zunächst allen danken, die Verbesserungen und
Alternativen zum sogenannten "Gutachterverfahren" (GAV)
erarbeitet und präsentiert haben, sei es in der
DPtV-mailingliste "Netz-Forum" oder auch in "Psychotherapie Aktuell"*.
Nur so war es mir möglich, die Alternativen zu beschreiben und
abstimmen zu lassen. Ich danke allen, die mit abgestimmt haben, denn
nun ist klarer, welche Mehrheitsmeinung Psychotherapeuten in der
Öffentlichkeit vertreten können. Zuletzt gilt mein Dank der
DPtV, die den freien Meinungsaustausch unter Psychotherapeuten im
Netz-Forum ermöglicht.
Ziel der Befragung
Es sollte ein aktuelles Meinungsbild unter Psychotherapeuten eingeholt
werden zum Verfahren der Beantragung von Langzeitpsychotherapien
für Kassenpatienten gemäß den Psychotherapie-
Richtlinien. Dieses Verfahren erfordert die Einsendung des sogenannten
"Berichtes an den Gutachter" (GAV).
Begriffsklärung:
Was ist der sogenannte "Bericht an den Gutachter"
Die Bezeichnung "Bericht" ist nicht korrekt. Nach einem
Urteil des Amtsgerichtes Ansbach (vom
05.11.2007, Az. 3 C 846/06) handelt es sich vielmehr um ein Gutachten,
das der behandelnde Psychotherapeut über einen Patienten verfaßt und zu dem er
einen individuellen psychotherapeutischen Behandlungsplan konzipiert. Dies Gutachten
wird dann über die Krankenkasse einem von der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung autorisierten Arzt oder
Psychotherapeuten (sogenannte "Gutachter") zur Prüfung zugeleitet.
Diese "Gutachter" entscheiden, ob das individuelle
Therapiekonzept den Richtlinien gemäß entwickelt wurde und
die Krankenkasse die Therapie genehmigen kann. (weitere infos im
Fakten-Check
zum Gutachterverfahren).
Methode
Zur Online-Umfrage eingeladen wurden alle ca. 800 Psychotherapeuten,
die beim "Netz-Forum", der mailingliste der DPtV,
angemeldet sind.
Befragungszeitraum: vom 16.11.2012, 9 Uhr bis
19.11.2012, 21Uhr.
Der eingesetzte Fragebogen findet sich im Anhang.
Ergebnisse:
178 Teilnehmer
haben sich in nur 4 Tagen zum GAV
geäußert,
dies entspricht eine hohen Antwortquote von ca. 22% der
Mailinglistenteilnehmer.
130 wünschten
eindeutig die ersatzlose Abschaffung des GAV.
1 Stimme nur erhielt der Vorschlag, das GAV unverändert
beizubehalten.
10 Teilnehmer sprachen sich eindeutig für die schrittweise
Abschaffung nach Dr. J. HERTEL aus.
4 präferierten den Vorschlag von S. RÜHL , zur
QS-Eigendokumentation und GAV ab der 80igsten Std.
9 bevorzugten eindeutig das Modell von S. SCHÄFER.
24 zusätzliche
Teilnehmer kreuzten mehrere Möglichkeiten an, n.d. Motto:
falls die Abschaffung des GAV (22. Stimmen als 1.Priorität) nicht
durchsetzbar wäre, dann gäben sie den anderen Modellen eine
Chance als Alternative (2. und 3. Priorität). Bei den 24 geteilten
Stimmen führte der Vorschlag von Dr. J. HERTEL gefolgt vom
Vorschlag S. RÜHL das Feld an. Unter den geteilten Stimmen
erhielten die Vorschläge SCHÄFER und DEINER nur
geringe Zustimmung. Keine Stimme erhielten die Vorschlage der
Krankenkassen und der KBV wie sie in "Psychotherapie Aktuell" (s.u.*)
publiziert wurden.
Niemand kreuzte "keine Meinung " an.
Diskussion
- Etwa
85% der Mitglieder (152 Stimmen) wünschen die ersatzlose
Abschaffung des
GAV, am liebsten sofort oder wenn nicht, dann schrittweise. (Vorschlag
J. HERTEL).
- Weitere
knapp 6% (10 Stimmen) wünschen die schrittweise Abschaffung des
GAV (Vorschlag J. HERTEL).
- Die
Mitglieder sehen fast nichts Positives am GAV.
- Die
hohe Quote der Ablehnung des GAV entspricht den Ergebnissen anderer
empirischer Untersuchungen zum GAV***.
- Die
außerordentlich hohe Teilnehmerzahl lässt annehmen,
daß die Ergebnisse die allgemeine Meinung der Psychotherapeuten
in der DPtV widerspiegeln.
- Das
GAV ist ein Thema, das sehr viele Psychotherapeuten beschäftigt,
es besteht ein hohes Interesse, zum Thema GAV gefragt zu werden und
Stellung zu beziehen.
- Die
Mitglieder haben sich stark an der Umfrage beteiligt, da sie
wünschen , daß die DPtV ihre Position an die
Entscheidungsträger weiterleitet.
- Das Konzept der DPtV (S. SCHÄFER)
überzeugt nur 9 Mitglieder als Alternative.
- Vorschläge,
die eine frühe Einsendung von Psychometrie an praxisexterne
Prüfstellen vorsehen, erhalten wenig Zustimmung.
- Kürzere
Bewilligungsschritte oder längere prob. Phase werden abgelehnt.
- Die
Vorschläge der Krankenkassen und der KBV werden völlig
abgelehnt.
Die
Ursachen für die Ablehnung des GAV sind der aktuellen Diskussion
in der mailingliste sowie den Arbeiten von KÖHLKE*** und
BÄMAYR ** zu entnehmen. Approbierte Psychotherapeuten fordern,
selbst über die Indikation zur Psychotherapie und die notwendige
Behandlungsdauer zu entscheiden. Sie fordern diesbezüglich die
gleichen Rechte wie niedergelassene Ärzte. Sie erleben das GAV als
bürokratisches Instrument zur strukturellen Gewalt gegen
Psychotherapeuten und ihre Patienten, das der Schweigepflicht des
Psychotherapeuten und dem Wunsch nach Datenschutz des Patienten
entgegensteht. Ein Instrument aus der Zeit vor dem PsychThG, das den
Nachweis von Wirtschaftlichkeit**** oder wissenschaftlicher
Begründbarkeit nicht erbringen kann. Zudem entspricht die
derzeitige Vergütung des GAV nicht dem Aufwand,
den die Psychotherapeuten dafür einsetzen. Psychotherapeuten
berichten auch häufig über willkürliche PT-Ablehnungen,
Kontingentkürzungen oder gar unangemessenes Verhalten der als
sogenannte "Gutachter" beauftragten Richtlinienprüfer.
Kritisch zur Umfrage anzumerken ist:
Bei der Auswertung der Umfrage zum GAV ist zu berücksichtigen,
daß in der Umfrage nur nach einem Wunsch für die
Zukunft gefragt wurde. Es ist lediglich diese Frage, die eindeutig
auszuwerten ist. Dennoch sollte zu denken geben, wie eindeutig das
derzeitige GAV abgelehnt wurde. Es erhielt nur eine einzige Stimme.
Es konnten sich von den DPtV-Mitgliedern nur diejenigen beteiligen, die
an der mailingliste teilnehmen. Wahrscheinlich sind dies die
berufspolitisch besser informierten Mitglieder. Die Umfrage dauerte nur
4 Tage.
Die Alternativen zum GAV wurden von mir nur nur kurz beschrieben und
jeweils auf die Quellen verwiesen. Vielleicht wäre es gut, wenn
S.SCHÄFER nochmals konkreter zum DPtV-Konzept informieren
würde. Auch A. DEINERs komplexen Vorschlag konnte ich nur
unvollkommen abbilden.
Ausblick
Es möge diese
Umfrage dazu beigetragen haben, daß die Listenteilnehmer sich mit
den Überlegungen sowohl der Verbände als auch der Kassen und
der KBV zum GAV vertraut machen. Es möge den
Funktionsträgern der Psychotherapeutenverbände und der KBV
klar werden, daß approbierte Psychotherapeuten das gleiche Recht
wie Ärzte einfordern, die Behandlungsindikation selbst zu stellen.
Bedauerlicherweise ist anzunehmen, daß Bemühungen um eine
vollständige Abschaffung des derzeitigen GAV auf
großen Widerstand seitens der KBV treffen könnten. Dennoch
kann die deutlich gezeigte Ablehnung der Psychotherapeuten bzgl. des
GAV dazu dienen, dass die Verbände bei der
Öffentlichkeitsarbeit hierzu eindeutig Stellung beziehen und sich
entschieden für Bürokratieabbau einsetzen.
Die GAV-Alternativen, die hier zusammengestellt wurden, könnten
innerhalb der DPtV erneut diskutiert und zur Abstimmung gestellt
werden. Auch ließen sich
Ideen aus den zusammengetragenen Vorschlägen in das Konzept der
DPtV integrieren.
Eine denkbare Alternative wäre, Psychotherapeuten zu verpflichten,
bestimmte psychometrische Daten gleich zu Beginn der Therapie zu
erheben und diese dann erst einer Antragsstelle zuzusenden, falls die
Therapie länger als 50 Std. benötigt.
Es wäre rein technisch leicht, Mitgliederbefragungen auf der
Homepage der DPtV per Klick und je Mitgliedsnummer anzubieten. So könnte
die Position der DPtV-Mitglieder zu den GAV-Alternativen
differenzierter abgebildet werden, als es bei dieser Abstimmung
möglich war.
Sehr positive Grundlage dieser Umfrage war, daß die Mitglieder
durch "Psychotherapie Aktuell"* ausführliche Darstellungen fanden,
welche Positionen derzeit öffentlich ausgetauscht werden. Es wurde
dort nach der Meinung der Mitglieder gefragt. Antworten sind dieser
Umfrage zu entnehmen.
Weitere Literatur
*Psychotherapie Aktuell,
Heft 3, 2012
**Bämayr, Argeo,
2002. .
Gutachterverfahren vor Psychotherapien: Eine Form der strukturellen
Gewalt. Deutsches Ärzteblatt PP Heft, 8, 2002. (http://www.aerzteblatt.de/archiv/33691/Gutachterverfahren-vor-Psychotherapien-Eine-Form-der-strukturellen-Gewalt)
***Köhlke, H..U. 1999, Das Gutachterverfahren in der
Vertragspsychotherapie. dgvt-Verlag
http://www.psychotherapie.org/verein/app/Koehlke-Artikel.html
**** Köhlke, H.U. 2001. Zur Verhältnismäßigkeit
des Psychotherapie-Gutachterverfahrens, Psychotherapie-Forum, 4. 2001. http://www.psychotherapie-roland-hartmann.de/GAV/Verhaeltnismaessigkeit_des_GAV.pdf
Laufersweiler-Plass, C. 2013. Fakten-Check zum Gutachterverfahren. http://www.dr-laufersweiler.de/Fact-Sheet_zum_Gutachterverfahren.html
Schäfer,S., 2011. Modell eines modifizierten
Gutachterverfahrens.
Psychotherapie Aktuell, 3/2011.
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Anhang
Fragebogen der Online-Umfrage zum sogenannten "Gutachterverfahren".
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die DPtV und auch uns selbst wird ein Feedback zum sogenannten "Gutachterverfahren" interessieren. Ein Meinungsbild unter den Mitgliedern läßt sich leicht erstellen: Adressieren Sie diese mail zurück an das dieses netz-forum, per Button "Antworten" unten das gewünschte ankreuzen und absenden. Ich bin bereit, die Umfrage auszuwerten.
ONLINE-UMFRAGE, Für die Zukunft möchte ich:
(. .) 0. Ersatzlosen Wegfall des sog. "Gutachterverfahrens" bei approbierten Psychotherapeuten (. .) 1. Vorschlag Dr. J. HERTEL: (Schrittweises Ausschleichen des GAV, ) (. .) 2. Vorschlag S. RÜHL, (als QS eigene Dokumentation der Therapieplanung, ab 80. Std Ber. an G.) (. .) 3. Konzept S. SCHÄFER (nach 5 prob. Std. Psychometrie an G., ab 50. Std Psychometrie plus Ber. an G.) (. . ) 4. Vorschlag des GKV Spitzenverbandes (ab 5. Std Dokubogen, 15 Std Kurzzeittherapie,dann Doku-Bogen plus Ber.an G., Stichproben) (. .) 5. KBV-Modell (10 prob. Std. , dann für nä. 50 Therape-Std. Ber. an G. plus Psychometrie) (. . ) 6. Vorschlag A. DEINER (stark verkürztes Gutachterverfahren, zugesichertes "Abschlusskontingent". ) (. .) 7. Die derzeitige Regelung "Gutachterverfahren" beibehalten. (. .) 8. Keine Meinung
Details zu den Vorschlägen von S. Schäfer, GKV und KBV im DPtV Heft "Psychotherapie Aktuelle" 3, 2012. in der mailingliste: Dr. J. HERTEL am 13.11.2012; S. RÜHL am 14.11.2012, A. DEINER am 14.11.2012
Dr. Christine Laufersweiler-Plaß November 2012, Wiesbaden
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